BMW R90/6 Bj. 1975

     

    Meine Gummikuh

    Also. Damals hatte ich von Oldtimern noch keine Ahnung und dieses Wort war in meinem damaligen Bekanntenkreis auch nicht wirklich gebräuchlich. Wir hatte alte Mopeds oder vielleicht sogar ein altes oder gebrauchtes Auto. Ich habe mit 16 Jahren eine nagelneue Zündapp KS50 Supersport (goldfarben) bekommen und habe sie täglich für den Schulweg und sonst wo hin gefahren. Ab 18 wollte ich dann aber ein richtiges Motorrad fahren. Doch meine Eltern hatten strickt etwas dagegen; und das nicht ohne Grund. Ich hatte einfach zu viele Unfälle mit dem Moped; teilweise auch richtig heftig mit Krankenhaus und so. Aber irgendwie hatte ich immer einen Schutzengel an meiner Seite. Ich sollte also erst einmal etwas älter und vernünftiger werden und erst einmal Käfer fahren. Das war ein 1302 Halbautomatik mit 50 PS. Ich hätte lieber einen Carman Chia gehabt; aber warum nach den Sternen greifen. Käfer war vollkommen O.K. und solide. An meinem Traum mit dem Motorrad habe ich aber die ganze Zeit festgehalten und auch versucht mir Geld dafür zu sparen. Meine Eltern habe ich immer mal wieder mit meinem Wunsch genervt bis ich die Zusage hatte mit 21 Jahren ein Motorrad fahren zu dürfen.

    Rein zufällig hatte ich mitbekommen, daß Boni seine BMW verkaufen wollte. Die hatte er sich mal neu gekauft und war seinerzeit der Traum aller Jungs hier am Ort. Das war schon was. Die BMW R90/6; die "kleine Schwester" der legendären R90/S. Am 04.09.1981 hab ich den Kaufvertrag unterzeichnet: BMW R90/6 Bj.1975 mit Zylindersturzbügel, Gepäckträger und Koffer. Auf dem Tacho müssen ca. 35.000km gestanden haben und die Beule im Tank habe ich mit gekauft. 3.300,- DM habe ich bar bezahlt und ich hatte endlich mein Motorrad. Und was für eins: 60PS und über 200km/h (liegend). Da kam kaum einer ran...

    Meine R90/6 im Sommer 1983

    Mit diesem Motorrad war ich jetzt immer unterwegs. Nicht nur so zum Spaß. Nein - täglich. Bei Wind und Wetter, Schnee und Regen; dafür gab´s ja Klamotten. Tagsüber zum Studium an der FH-Lübeck, abends zu Freunden und am WE mal schaun was mit Mädchen geht. Disco oder so. Auch längere Touren waren kein Problem. Zu DDR-Zeiten nach Berlin; kein Problem mit der Gummikuh.

    Michi hatte mir in der Zwischenzeit den Tank ausgebeult, neu lackiert und handliniert. Damals habe ich mich herzlich bedankt und ein kleines Geld dafür bezahlt. Lackierung und Linierung ist heute noch TOP und ich wusste diese tolle Arbeit leider erst sehr viel später wertzuschätzen. Ich bin viel gefahren und die BMW war immer zuverlässig. Außer neue Reifen, Ölwechsel und ab und zu mal eine neue Batterie gab es kaum was zu tun. Das Putzen ist allerdings etwas zu kurz gekommen. 1984 hatte ich dann schon 15.000km gefahren und ca. 50.000km auf dem km-Zähler.

    Irgendwann konnte ich auf einer Oldtimer-Messe ein Original-Prospekt erwerben. Hier das Deckblatt und die Preisliste:

    R90/6 ProspektR90/6 Preisliste

    Mein Studium Nachrichtentechnik-Informatik habe ich 1984 abgeschlossen und konnte auch gleich im Juli einen Job in Wedel als Programmierer antreten. Hier in der Umgebung war par tout nix zu finden und ich hatte meine Bewerbungen schon über HH hinaus bis nach Bremen ausgeweitet. Meine erste richtige Anstellung nach Schule und FH; und Geld gab´s auch. Nicht nur das. Ich hatte eine tollen Chef und sehr nette Kollegen; fast alle in meinem Alter (ich war jetzt 26 Jahre alt). Mit Günther habe ich mich besonders angefreundet und wir wurden richtige Kumpels und sind es heute noch. Er fuhr auch gerne Motorrad und hatte die BMW R100RS und auch eine R75/5 an der er immer etwas zu verbessern wusste. Irgendwann, bei einer oder zwei Flaschen Rotwein, reifte der Gedanke mal eine richtig weite Tour mit unseren BMW´s zu machen. Wir waren uns schnell einig. Der südlichste Zipfel von Europa sollte es sein: Gibraltar. 1986 im Mai ging es dann los. Welch ein Abenteuer...

    Wir hatten 3 Wochen Zeit eingeplant und wollten wollten uns auf dem Weg nach Gibraltar noch den einen und anderen Ort anschauen und verweilen. Die Hintour war in etwa folgendermaßen: Hamburg, Köln, Basel, Lyon, Bordeaux, Biarritz, Bilbao, Madrid, Malaga, Gibraltar. Das sind schon mal 3.200km. In Malaga haben wir ein paar Tage gezeltet, uns erholt und sind natürlich auf dem Felsen von Gibralta rumgeklettert.

    Zurück haben wir uns mehr Zeit genommen und sind ohne Autobahn die komplette Mittelmeerküste über Alicante, Valencia, Barcelona durch die Provence bis nach Marseille gefahren. Von dort aus dann um Italien herum nach München, wo wir uns noch Zeit für das Deutsche Museum genommen haben. Bis nach Hamburg zurück auf der BAB war die Rückfahrt mit 3.500km etwas länger.

    Auf nach Gibraltar Waschtag in Malaga

    Beide BMW´s sind prima gelaufen und wir hatten keinerlei Probleme mit der Technik. Meine BMW hatte nach dieser Tour ca. 60.000km auf dem Tacho.

    Die nächsten 3 Jahre verliefen eher unspektakulär; bis zu dem kapitalen Motorschaden im Nov. 1989. Und den hab ich möglicherweise sogar selbst verschuldet. Und das kam so: Ich hatte nach jeder Winter-Standzeit immer Probleme mit einer verklebten Kupplung und habe diese jedes Frühjahr an der Hauswand "freigefahren". Das war natürlich nicht sehr schonend für das Motorrad. Also hab ich mir eine neue Kupplung gekauft und eingebaut. Bei der Gelegenheit hab ich auch die Schwungscheibe mit runtergenommen und wieder richtig aufgeschraubt. Die Fa. Steen hatte die Scheibe mal runter und versetzt wieder aufgeschraubt; warum auch immer. Jedenfalls stimmte die OT-Markierung nicht mehr und es wurde eine neue Markierung nachgekratzt. Bei meiner Reparatur war mir nicht bewusst, daß man die 6 Schrauben der Schwungscheibe auf jeden Fall erneuern muß (Dehnschrauben); und das hat sich bitter gerächt. In Hamburg-Horn hatten sich diese Bolzen gelockert und sind abgeschert. Das gab einen gewaltigen Rums und der Motor hat blockiert. Gleichzeitig hat es Nockenwelle und einen Zylinder mit zerrissen. Das war´s. Kurbelwelle, Nockenwelle, Zylinder im Eimer. Aus die Maus.

    Nach dem Schock habe ich im Frühjahr 1990 beschlossen die BMW komplett zu überarbeiten. Den Motor und das Getriebe habe ich T.Strieder anvertraut. Motor komplett neu aufbauen; soweit es geht mit Gebrauchtteilen. Das Getriebe sollte durchgesehen und neu abgedichtet werden. Um den Rest hab ich mich selbst gekümmert. Im April 1990 hatte ich die BMW total zerlegt und in die Regale sortiert. Den Rahmen hab ich in Hamburg neu füllern und lackieren lassen; sehr gute Arbeit. Alles was n.i.O. war hab ich ausgetauscht oder erneuert. Neue Gummies, Bowdenzüge, Kabelbaum etc. Und dann hab ich auf den Motor gewartet, und gewartet, und gewartet.... Der Typ hat das einfach nicht hingekriegt! Und weil eine drohende Bauratabnahme immer näher rückte (2 Jahre abgemeldet) hab ich mir das fertige Getriebe und den zerlegten Motor im Karton abgeholt. Gab natürlich böse Worte.. Wie auch immer. Helmut Fülscher, ein toller Typ und BMW-Spezi aus Uetersen, hat mir den Motor dann mit neuen und gebrauchten Teilen wieder aufgebaut; und zwar rechtzeitig zum regulären TÜV-Termin. Hat damals alles sehr viel Geld gekostet. Aber es hat sich gelohnt und ich hatte meine BMW fast genau so wieder wie ich sie damals vor 10 Jahren gekauft hatte.

    Neuaufbau 1990Neuaufbau 1991

    Die Jahre gingen in´s Land und ich bin viel gefahren. In 2000 hatte ich weitere 35.000km auf der Uhr und der Tacho zeigte mir eine Laufleistung von ca. 95.000km an. Mir wurde allmählich klar, daß ich meine Gummikuh nie verkaufen würde und mir hier einen tollen Oldtimer erhalten kann. 25 Jahre hatte sie ja nun schon "auf dem Buckel". Fortan wurde immer weniger gefahren; man wird ja auch bequemer und andere Aufgaben haben Vorrang. Dafür wurde dann eben mehr gewartet, gepflegt und geputzt. Mittlerweile sind auch die Krümmer, Querrohr und Sternmuttern neu. Die beiden Endrohre sind immer noch die originalen aus 1975. Ich hab mir mal auf Verdacht 2 neue für 186,-€ gekauft; die liegen aber immer noch warm und trocken auf dem Dachboden.

    Im Mai 2007 war ich der Meinung, daß an solch einem alten Motorrad unbedingt ein Kickstarter gehört; das ist doch irgendwie cool so einen hubraumstarken Boxer einfach anzutreten. Die R90/6 hatte serienmäßig nur den E-Starter; den Kickstarter gab es nur gegen Aufpreis. Ich fand in Hamburg ein Getriebe mit Kickstarter das mir zusagte. Nicht eines der späteren Baujahre; das sah nicht aus. Die hatten angegossene Rippen am Getriebe und das passte überhaupt nicht zu dem sonst glatten Motor der R90/6. Ich hatte ein gutes Getriebe einer R75/5 gefunden und 200,-€ dafür bezahlt. Das Erscheinungsbild war und ist immer noch stimmig. Daneben ein Bild wie ich sie heute fahre: Mit Einzelsitzbank als Eskorten-Maschine. Stand 27.12.2017: 113.122km und immer noch nicht genug!

    KickstarterR90/6 in 2016

    Noch ein kleiner Nachtrag zu den Reifen. Hinten fahre ich immer noch den Metzeler ME77. Das passt. Für vorne konnte ich den ME11 in 2014 nicht mehr bekommen und hab mir nach Empfehlung von Hagemann-Hamburg einen Metzeler Lasertec aufziehen lassen. Das Fischgrätmuster passt nicht wirklich zu meinem Motorrad und der Lasertec ist auch etwas breiter als der ME11 sodaß ich das Schuzblech besser zentrieren musste. Rille sieht einfach besser aus bei meinem Oldtimer. Allerdings hat der Lasertec auch einen entscheidenden Vorteil: Das Vorderrad ist bei höheren Geschindigkeiten deutlich ruhiger geworden und das Bremsen bei nasser Fahrbahn geht auch sicherer.

     

    In diesem Sinne: allzeit gute Fahrt und viel Spaß mit euren Oldtimern

    Euer Helmut

     

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